Liest man Familien- und Elternblogs, oder wie in meinem Fall, schreibt sogar eines, dann kann rasch der Eindruck entstehen, dass das Leben überwiegend aus tollen und schönen Momenten mit seinen Kindern besteht und man höchstens einmal augenzwinkernd über die trotzigen Eigenheiten der lieben Kleinen berichtet. Das möchte ich heute einmal klarstellen. Es geht auch anders und auch Kinder, über die in Blogs berichtet wird, spinnen.
Traumjob?
Ich habe das Privileg als Hausfrau und Mutter zu Hause sein zu können. Ich darf mich um meine Kinder kümmern und sie auf dem Start ins Leben begleiten. Allerdings ist das nicht immer ein Privileg und ich würde die Kleinen hin uns wieder am liebsten in vertrauenswürdige Hände abgeben und einem normalen Broterwerb nachgehen. Erziehung ist Arbeit. Eine Arbeit die nicht bezahlt wird und die echt fiese Arbeitszeiten hat. Man trägt mehr Verantwortung als die meisten Vorstandsvorsitzenden und hat bei weitem nicht die Privilegien, die so ein hochbezahlter Manager genießt. Man darf sich für jeden Dreck nicht zu gut sein, darf nie in Urlaub, hat nie Feierabend und Krankenstand ist ein Luxus, der vorher angemeldet und abgestimmt werden muss. Klar kann man dem Muttersein auch viele, sehr viele, schöne und wunderbare Aspekte abgewinnen und wer hier ab und zu liest, der weiß, dass mich das auch immer wieder zu Beiträgen motiviert, in denen ich über schöne Momente berichte. Was ich aber nicht erreichen möchte ist, dass hier der Eindruck entsteht, dass bei uns immer nur der Himmel voller Geigen hängt. Auch meine Kinder spinnen oft und gern.
Alles gut
Keine Sorge, bei mir ist alles in Ordnung. Es gibt eigentlich nichts Konkretes, was mich zu diesem Beitrag bewogen hat und doch gibt es so viele kleine Momente, wo meine Älteste eine Stunde am Stück durchquasselt und die Gesprächspausen mit lauthalsem Gesang füllt, meine Kleinste gerne selbst läuft, aber dauernd hinfällt und laufend bedenklichen Substanzen, die über den Gehweg rinnen zu nahe kommt und mein Sohn sich weigert im Kinderwagen zu sitzen, oder die Hand zu geben, wenn wir die Straße überqueren, wozu ich ihn aber, zu seine eigenen Sicherheit, nötigen muss und er sich deshalb schreiend wie ein nasser Sack hängen lässt und ich ihn an einer Hand baumelnd über den Rest der Straße tragen muss, während ich mit der anderen Hand den Zwillingswagen schiebe. Der Job ist wirklich hart. Rede ich mit meinem Mann darüber, erklärt er mir jedesmal, dass er seinen Job liebt, es aber jede Menge Momente gibt, wo er am liebsten alles hinschmeißen würde. Das gehört wohl zu einem guten Job dazu, wenn die Personen, mit denen man zu tun hat, spinnen.
Fass voll
Es gibt allerdings Tage, da spinnen meine Kinder mehr, als an anderen Tagen. Nach einigen Monaten, mit stark schwankenden mütterlichen Nervenkostüm am Abend, hat mein Mann eine Theorie aufgestellt und ist der festen Überzeugung, dass unser Nachwuchs spinnt, wenn Neumond ist. Die Auswirkungen des Mondes auf die Menschheit sind ja hinlänglich bekannt und manch einer spürt es regelmäßig am eigenen Verhalten und Empfinden, wenn wieder einmal 29,5 Tage durch sind. Lt. Wikipedia sind zwar alle Studien zu Auswirkungen von Mondphasen auf Menschen widerlegt, aber bei uns war niemand und hat eine Studie gemacht, also vertraue ich auf meine persönliche Erfahrung und meine Beobachtungen scheinen das zu bestätigen. Die Kinder spinnen bei Neumond. Das würde auch jeder Wissenschaftler nach ein paar Minuten bestätigen und sich wieder in sein Labor flüchten.
An solchen Tagen summieren sich die kleinen Problemchen über den Tag, bis irgendwann ein Punkt erreicht ist, wo meine Belastungsgrenze erreicht ist. Ich liebe meine Kinder, aber an manchen Tagen könnte ich sie echt auf den (Neu)Mond schießen. Da kommt es vor, dass ich lauter werde und die Kinder einfach mal nur in ihr Zimmer schicke, oder mich selber auf den Balkon zurückziehe und rasche eine Zigarette rauche. Wenn sie spinnen ist das eine große Belastung für mich.
Auch eine Mutter ist ein Mensch
Man muss Verständnis für seine Kinder haben und sie fördern und unterstützen das Richtige zu tun und vieles Andere nicht zu tun. Weil es einfach nicht in Ordnung ist, Kinder zu schlagen, oder sonstwie körperlich zu disziplinieren, ist man dabei sehr stark darauf angewiesen, dass das Kind auch angeleitet und unterstützt werden möchte. Das ist bei meinen Kindern häufig der Fall und ich habe immer wieder das Gefühl, dass sie meine Ratschläge und das Wissen das ich weitergebe, wie ein Schwamm aufsaugen. An manchen anderen Tagen wird aus dem Schwamm eine Bowlingkugel und was auch immer ich von mir gebe, es prallt ab. Da dringt nichts ein und an solchen Tagen ist es schon schwierig, die Aufmerksamkeit der Kinder zu erlangen. Man braucht dann unendliche Geduld, großes Einfühlungsvermögen und Nerven aus Stahl. Man muss den Kindern entgegenkommen, sie erreichen, ihnen die eigene Sicht und die Tragweite ihres Handelns darlegen und sie zur Einsicht bringen, dass ihr Verhalten falsch war und adaptiert werden muss. Das kann man nicht immer. Es reicht schon, wenn man selbst gerade Schmerzen, oder Sorgen hat und schon sinkt die eigene Leistungsfähigkeit. Jeder kennt das, auch im Büro hat man mal einen schlechten Tag. Warum darf man als Mutter, mit sieben Tagen und Nächten Dienst jede Woche, nicht auch einmal einen schlechten Tag haben. Es kann ja nicht die Erwartungshaltung der Gesellschaft sein, dass eine Mutter mit stoischer Gelassenheit jeden Unfug, den ihre Kinder anstellen mit einem freundlichen Lächeln und einem Eis belohnt.
Erziehung – und die Kinder spinnen
Erziehung ist in meinen Augen geprägt dadurch, dass dem Kind Grenzen aufgezeigt werden müssen. So schlimm das vielleicht klingt, aber es muss eine klare Abgrenzung nach verschiedenen Richtungen aufgebaut werden, die nicht zu überschreiten ist! Im späteren Leben bekommt man für Bagatellvergehen einen Strafzettel und bezahlt ein Bußgeld. Wer sich nicht an Gesetze hält wird eingesperrt. In anderen Ländern gibt es noch schlimmere Strafen. Was also spricht dagegen auch in der Kindererziehung zu drohen, zu schimpfen und schließlich zu strafen? Wie stellen sich Leute, die den Kopf schief legen, wenn man gegenüber einem Kind lauter wird, vor wie man mit Fehlverhalten umgeht? Wie soll ein Kind, dem man keine Regeln und Grenzen beibringt in unserer regelmentierten und geordneten Welt bestehen? In der Schule muss es anwesend sein und Leistung zeigen. Im Beruf muss es gehorchen und Aufträge erfüllen. Das ganze Leben besteht darin, dass wir mit negativen Konsequenzen zu rechnen haben, wenn wir uns nicht an die Regeln halten. Eine Mutter, die ihre Kinder bestraft wird immer in die Kritik geraten. Auch wenn niemand die Vorgeschichte kennt und weiß, wie oft man „hör damit auf, sonst setze ich Dich in den Kinderwagen“ gesagt hat, bevor man das hysterisch schreiende Kind in den Kinderwagen schnallt, wird so eine Aktion nicht gut geheißen. Es ist heute nicht gern gesehen, dass man sein Kind zu etwas zwingt. Wie soll man aber damit umgehen, wenn es konsequent nicht folgt. Einer Mutter wird sehr viel abverlangt. Allein der zeitliche Aufwand ist enorm, aber auch der emotionale Stress und die körperlichen Anstrengungen sind grenzwertig. Man muss der Mutter im Gegenzug für diese Leistungen auch das Recht einräumen sich zu wehren und dem Kind Konsequenzen nicht nur anzudrohen, sondern sie auch umzusetzen.
Das fehlende Mütterchenschema
Sieht man auf der Straße ein tränenüberstömtes Kind an der Hand einer etwas verbissen dreinblickenden Mutter, dann sollte man sich vom Kindchenschema nicht über den Tisch ziehen lassen. Was die Natur schlichtweg vergessen hat ist das Mütterchenschema, das spontanes Verständnis bei allen auslöst, wenn sie die Mutter betrachten.
Wenn Kinder spinnen, dann hilft oft garnichts. Wenn sich so ein kleiner Rabauke in den Kopf setzt heute mal Terror zu machen, dann kann die Mutter oft wenig tun. Sie kann es dem Kleinen nicht recht machen, also endet das Ganze zwangsläufig in der beschriebenen Situation. Was man als Beobachter – und da darf ich mich leider auch nicht ausnehmen – reflexartig tut ist, das Kind zu bemitleiden. Das arme Kleine wird von der strengen Mutter gezwungen. Unterschwellig schwingt mit, dass die Mutter in ihrer Erziehung offensichtlich versagt hat, wenn sie es nicht schafft das Kind glücklich zu machen.
Diese Sichtweise sollte jeder Mutter egal sein. Was im Mittelpunkt stehen sollte ist das Wohl des Kindes und nicht der oberflächliche Eindruck, den man in der Fußgängerzone, oder im Park erzeugt. Es ist nicht im Sinne des Kindes, wenn man bedingungslos jeden Wunsch ohne jede Gegenleistung erfüllt, nur damit Harmonie und Vorzeigefamilienoptik entsteht. Es ist schlichtweg in Ordnung sich als Mutter auch einmal durchzusetzen und zu verlangen, dass das Kind einfachen Anweisungen folgt. Selbstverständlich werden meine Kinder nicht geschlagen. Es kann schon mal passieren, dass ich etwas härter zupacken muss, wenn meine zwei Älteren sich in die Haare bekommen, um sie rasch zu trennen, aber nie vorsätzlich und auch nicht mit dem Ziel ihnen Schmerzen zuzufügen. Da geht es darum ernsthafte Verletzungen zu vermeiden, weil wenn die zwei gerade spinnen, dann kann es schon vorkommen, dass sie sich Haarbüschel ausreißen und tiefe Kratzer zufügen, aber geschlagen werden sie nicht und nie!
Verständnis für die Mutter
Eine Mutter ist auch nur ein Mensch und wie jeder Mensch hat sie auch eine Belastungsobergrenze. Wer im Büro arbeitet kennt sicher die Situationen, nach denen man verzweifelt versucht ein E-Mail zurückzurufen, weil man sich im Ton vergriffen hat, oder in denen man sich in der Kaffeeküche einmal Luft machen muss, weil der Vorgesetzte, oder ein Kollege sich einfach falsch verhält. Wenn Kinder spinnen, dann ist die Situation für die Mutter ähnlich. Sie hat einen klaren Erziehungsauftrag und es sollte von der Gesellschaft auch respektiert werden, dass Erziehung nicht für beide Seite immer nur angenehm sein kann. Oft steht man vor der Entscheidung selber zu heulen, oder das Kind zum Heulen zu bringen. Besser und vor Allem in Sinne des Kindes ist es oft, dass das Kind heult. Besser es lernt, dass es Grenzen gibt und hinter diesen Grenzen Konsequenzen lauern, als dass die gebratenen Tauben völlig bedingungslos durchs Leben fliegen.
Ich spreche hier sicher nicht davon wegzuschauen, wenn Kinder misshandelt, oder geschlagen werden, sondern davon, einen kurzen Augenblick im Zusammenleben von Mutter und Kind, in der das Kind gerade weint, automatisch als mütterliche Verfehlung zu werten. Meine Kinder weinen sehr selten, weil sie Schmerzen haben. Sie weinen oft, weil sie traurig sind und am allermeisten deswegen, weil sie zornig sind. Zornig, weil sie eine Grenze aufgezeigt bekommen haben, auf die ich als Mutter bestehe. Find ich gut.
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