Mein Sohn ist im Sommer drei Jahre alt geworden und hat den Begriff Autonomiephase völlig neu definiert und den täglichen Kampf ums Rechthaben und Durchsetzen zu einer nervenaufreibenden 24h-Aufgabe ausgebaut. Während die ältere Schwester vor zwei Jahren Ähnliches durchgemacht haben muss ist es bei ihr deutlich angenehmer gewesen.
eine Blogparade
Ich habe im Blog Glucke und so von Dani einen Aufruf zum Thema Autonomiephase gefunden, dem ich gerne nachkomme! Mein zweiter Vorname ist momentan Autonomiephase und die Beschreibungen von dem Verhalten von Danis Sohn haben mich heftig nicken lassen! Ich habe schon einmal einen Beitrag dazu geschreiben, aber das Thema ist momentan omnipräsent und ich schreibe mir das gerne wieder einmal von der Seele.
Mein Sohn ist ganz speziell in Allem was er tut. Er tickt einfach ein bisschen anders, als andere. Das hat er schon immer gemacht und es macht das Zusammenleben mit ihm sehr spannend und überraschend und ihn zu einem speziellen Menschen. Nicht dass irgendwas nicht in Ordnung wäre mit ihm, aber ihm sind einfach Dinge wichtig, die man so nicht erwarten würde.
Die Autonomiephase, die er gerade altersgerecht durchmacht ist keine Ausnahme. Sie unterscheidet sich massiv von der seiner Schwester vor zwei Jahren.
Jeder ist anders
Als Ursache dafür, dass er heftiger von dem Drang zur Selbstbestimmung betroffen ist (oder zumindest, warum ich das so wahrnehme) kann ich mir nur vorstellen, dass in der Zwischenzeit noch ein drittes Kind dazu gekommen ist, das mich in der Grunsauslastung schon auf ein anderes Niveau hebt, als noch davor. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass er ein Junge ist, oder sogar daran, dass ich zwei Jahre älter geworden bin.
Wo auch immer die Ursachen liegen, es ist momentan einfach schwierig.
Der typische Tag
Morgens 4:30h – 07:30h
Mein Sohn war schon immer ein Frühaufsteher. Seit der Zeitumstellung ist es etwas besser geworden, aber er ist jeden Tag verlässlich der erste, der aus dem Zimmer kommt. Man kann froh sein, wenn er im Vorbeihgehen seine ältere Schwester, die zumindest bis 6:00h weiter schläft, nicht weckt, sondern still zu mir kommt und mein Aufstehen fordert.
Ausgestattet ist er dabei mit verschiedenen Utensilien, die er Abens mit ins Bett genommen hat. Er hat einen Kissenbesuch, den er als Schmusedecke verwendet und ein kleines Körbchen, das wir eingeführt haben, weil jeden Tag neue Schätze dazu kommen und er die Eigenart hat, seine Lieblingsstücke überall hin mitzunehmen. Das war irgendwann einfach zu viel und wir haben ein kleines Plastikkörbchen als Tragehilfe eingeführt. Das Körbchen ist immer im selben Raum wie er und steht Nachts neben seinem Kissen.
Später, wenn seine beiden Schwestern wach sind gibt es Frühstück. Meist bekommen beide eine Joghurtdrink und damit startet auch schon der erste planmäßige Konflikt. Er muss sich sein Frühstück selbst aus dem Kühlschrank holen und den Joghurtdrink selbst mit ungeübter Hand und viel zu viel Schwung in seinen Becher umfüllen. Bin ich schon ausreichend wach und habe mein Nervenkostüm schon übergezogen, dann sitze ich mit dem Küchentuch daneben und warte bis alles vorbei ist. An anderen Tagen bearbeitet er die eingesaute Tischplatte selbst mit Servietten und Feuchttüchern und sorgt für einen wunderbaren Joghurtfilm.
Das Anziehen ist ein echtes Problem. Er besteht darauf sich selbst anzuziehen, tut das dann aber nicht. Ziehen mein Mann, oder ich ihn an dauert es keine 10 Sekunden, bis er sich wieder entkleidet hat. Bestenfall läuft er dann ewig mit seiner Windel durch die Wohnung, schlechtestenfalls ohne die Windel.
Er ist gerade dabei Freundschaft mit der Toilette zu schließen, meistens ist es aber falscher Alarm und so tront er Minutenlang auf seinem Toilettensitz und spielt mit dem Papier.
Nachdem es endlich wärmer geworden ist spart er sich dann, wenn er sich endlich anzieht, den Kampf mit der Strumpfhose, aber der Vorgang des Anziehens dauert trotzdem zumindest 10 Minuten Netto und 90 Minuten Brutto. Noch nicht eingerechnet sind unsere Veruche ihm die Teile richtig herum zu reichen, die im Laufe der Morgenstunden von pädagogisch korrekt und verständnisvoll langsam zu genervt und latent aggressiv mutieren.
Ist schliesslich alles angezogen und das Frühstück ganz selbstständig vorbereitet, dann aber stehen gelassen kommt die Überbekleidung dran. Die Jacke ist meist nicht das Diskussionsthema, weil wir ihn damit überrumpeln und er reflexartig die Hände in die Ärmel steckt. Allerdings muss der Reissverschluss selbst geschlossen werden, was wieder mal eine gefühlte Ewigkeit dauert, in der nebenbei die beiden Mädels komplett angezogen und für die Kita vorbereitet werden.
Ist die Jacke endlich halb geschlossen beginnt der Kampf um die Accessoires. Wir haben uns abgewöhnt seiner Schwester einen Haarreifen aufzusetzen, weil das nur dazu führt, dass auch er einen Haarreifen tragen muss und ohne nicht das Haus verlässt. Er war letztens auch schon mit einem rosa Haarreifen in der Kita. Sein Problem – er wollte es so 😉
Auch ist er vor ein paar Tagen mit einer langen Schiunterhose zur Kita gegangen, weil er auch eine Leggin wollte, wie seine Schwester. Haube und Halstuch stehen dann als nächstes auf der Konfliktcheckliste. Die müssen selbst gewählt werden. Vorzugsweise trägt er rosa Hauben, oder die Haube, die wie ein Pandabär aussieht und seiner Schwester gehört.
Der Weg in die Kita ist eigentlich eine gut eingespielte Routine und meistens ohne große Ereignisse. Die Zeit in der Garderobe allerdings entschädigt dann für die entspannten 12 Minuten.
Tagsüber von 08:00h – 16:00h
Ich kümmere mich um meinen Haushalt, meine kleinste Tochter und Einkäufe. Nebenbei entstehen Beiträge wie dieser.
Abends
Ich hole die beiden meist um 16:00h von der Kita. Je nachdem, ob er untertags ein Schläfchen gemacht hat, oder nicht ist er bis wenige Meter nach der Kita noch entspannt. Spätestens an der ersten Kreuzung wird es aber schon wieder spannend und die Autonomiephase ruft lauthals hier!
Egal, ob ich gerne rechts- oder links herum um den Block laufen möchte, ob ich durch den Innenhof, oder außen herum geplant habe – er ist dagegen. Gehen an der Hand, auch über die Straße ist eine Qual für Mutter und Sohn und den Weg bestimmt er und nicht ich.
Am meisten ärgert mich bei all den Problemen, dass meine Töchter immer wieder zurückstecken müssen. Wenn die Älteste am liebsten durch den Innenhof gehen würde um kurz mal zu schaukeln, dann will mein Sohn meistens ganz etwas Anderes.
Zu Hause zieht sich der Drang nach Selbstbestimmung weiter fort. Außer dem Problem, dass er sich nichts sagen lässt zeigt sich am Abend, wenn alle Drei schon ein bisschen reif für die Insel sind und die Launen sich alle der Nulllinie nähern, spielt er gerne mit dem Geschrei seiner Schwestern. Ob der die Ältere solange trietzt, oder der Kleineren das Spielzeug, das sie stolz durch die Wohnung trägt wegnimmt, er macht einfach Stress.
Selbstredend ist der Umstieg auf den Pyjama wieder genauso umwerfend wie andersrum. Der Pyjama muss strengen Qualitätsrichtlinien entsprechen und die genaue Prüfung überstehen. Das Anziehen muss er selbst machen und niemand darf ihm dabei helfen. Wenn er dann wieder halb bekleidet durch die Wohnung flitzt kann man nur hoffen, dass die fehlende Windel sich nicht rächt und die Autonimiephase eine Lacke im Wohnzimmer verursacht.
Das Zubettgehen, das an sich schon ein aufwändiges Ritual ist, weil eben das Körbchen mit allen möglichen Kleinigkeiten gefüllt sein muss, damit er seinen Seelenfrieden findet und überhaupt ein Einschlafen möglich ist. Fehlt ein winziges Plastikteil, dann muss mein Mann, oder ich die ganzen 100m² absuchen bis wir es gefunden haben. Das Körbchen neben dem Kissen wird immer einer peniblen Inventur unterzogen und jedes Fehlen unmittelbar bemerkt. Besondern skurril wird es dann, wenn er im Kindergarten gemalt hat und die Zeichnungen – meistens mindestens 20 bis 30 – den Weg ins Körbchen zu seinen Schätzen geschafft haben. Wenn er dann Morgens aus dem Bett kommt muss er immer mehrmals gehen, weil die Blätter nicht alle in sein Körbchen passen.
die richtige Strategie
Die Autonomiephase war noch nicht leicht für Eltern und Kind und sie stellt hohe Anforderungen an die Nerven und die Konsequenz. Es ist wichtig allem Trotz zum Trotz Grenzen aufrecht zu halten und den Widerstand nicht in allen Bereichen aufzugeben. Mein Sohn ist ein Paradebeispiel für eine tolle Autonomiephase und schafft es immer wieder minutenlang Rotz und Wasser zu heulen, wenn er sich nicht verwirklichen darf. Ich halte es für immens wichtig hier nicht vom Erziehungsstil abzuweichen. Das Kind will seine Selbstständigkeit ausleben und Entscheidungen selbst treffen. Das ist in vielen Bereichen gut und richtig, aber in vielen sensiblen Lebensbereichen ist es unerlässlich, dass das Kind Dinge tut, oder eben lässt um sich und andere nicht in Gefahr zu bringen.
Auch wenn er eine Diva und eine Drama-Queen ist muss die Autonomiephase hin und wieder unterbrochen werden, damit ich ihm nicht vermittle, dass er jetzt autonom ist und tun und lassen kann was er will. Das wäre keine gute Basis für die nächsten Jahre.
Leave a Reply