Jacob Christian Schäffer lebte im 18. Jahrhundert und war so etwas, wie ein Universalgenie. Er hat in unzähligen Disziplinen geforscht und Entdeckungen gemacht. Der Theologe hat sich mit Pflanzen, Pilzen und Insekten beschäftigt. Allerdings gibt es eine Idee, für die ihm wohl so ziemlich alle Hausfrauen sehr dankbar sind. Unter dem Namen Rührflügelmaschine kombinierte er 1767 einen Waschbottich mit, sich drehenden Flügeln, die die Wäsche in der Seifenlauge im Bottich bewegen. Den Bauplan veröffentlichte er für alle, die Interesse hatten, diese Maschine nachzubauen. Mit der Rührflügelmaschine erblickte offiziell die erste Waschmaschine das Licht der Welt. Ab diesem Zeitpunkt war der Siegeszug des Haushaltsgeräts nicht aufzuhalten. 1901 gab es bereits die erste elektrische Waschmaschine und 1946 durften sich amerikanische Frauen über die erste vollautomatische Waschmaschine freuen. Mit ihrer Einführung endete eine harte Zeit voller körperlicher Schwerstarbeit und schmutziger Wäsche. Heute völlig unvorstellbar, mit Wäschekörben zum Fluss zu marschieren, oder jedes Stück mühsam mit Seife und einem Waschbrett zu reinigen. Mühsam ist die Wäsche aber immer noch.
Wäscheberge
Wir sind 5 Personen im Haushalt. Die Kleinen haben mittlerweile auch eine stattliche Größe und entsprechend große Kleidung an. Jeden Tag fallen also 5 Garnituren Unterwäsche und 5 Leibchen an. Die Hosen tragen wir normalerweise mehr als einen Tag, aber auch die kommen früher, oder später zur Schmutzwäsche. Jeder hat ein Handtuch, das normalerweise zweimal pro Woche ausgetauscht wird. Wir haben fünf Pyjamas und natürlich auch fünf Betten mit Bettwäsche, die ich alle zwei Wochen, oder anlassbezogen auch früher austausche. Insgesamt ergibt das etwa 25-30 Kilogramm Wäsche pro Woche. Damit läuft unsere Waschmaschine konstant fünfmal pro Woche. Meistens ist das Starten der Waschmaschine eine der ersten Handlungen pro Tag. Wird die Bettwäsche getauscht, dann läuft sich auch mal ein paarmal an einem Tag. Ist jemand krank wird auch mal zwischendurch gewechselt. Auch wenn der Waschvollautomat fast alles von selbst macht, beschäftigt mich die Wäsche durchaus sehr lange jeden Tag.
The Circle of Wäsche
Morgens wird die Kleidung für den Tag rausgelegt. Ich übernehme das als Frühaufsteherin für die ganze Familie, einschließlich meines Mannes. Untertags ist die Wäsche dann mit den Familienmitgliedern unterwegs und landet Abends wieder im Wäschekorb. Am nächsten Morgen wird sie von mir sortiert und ein Teil in die Waschmaschine geräumt. Nach etwas mehr als zwei Stunden ist die Waschmaschine fertig und die Wäsche wird aufgehängt. Je nach Jahreszeit vorzugsweise am Balkon, oft aber auch im Wohnzimmer. Einen Tag später, oft auch noch am selben Tag, ist sie normalerweise trocken. Also wird sie abgenommen. Gebügelt wird bei uns nicht. Mein Mann trägt zum Glück nur hin und wieder Hemden und bügelt sie dann auch selbst. Alles andere streife ich aus und falte es unmittelbar, nachdem ich das Teil abgenommen habe. Es entstehen 5 gefaltene Stapel, die wieder in den Wäschekorb geschlichtet werden. Mit dem Wäschekorb laufe ich dann von Schrank zu Schrank und schlichte alles wieder an seinen Platz. Insgesamt laufen drei solche Zyklen parallel. Ich nehme als morgens Wäsche aus dem Schrank und schlichte nachmittags gewaschene Wäsche wieder zurück. Pause gibt es jeweils nur am Wochenende.
Waschtag
Eine Ausnahme bildet der Tag, an dem ich die Bettwäsche wasche. Auch wenn ich versuche, es mir einzuteilen und ein Bett nach dem anderen zu waschen, ergibt es sich einfach immer wieder, dass ich alle Betten am selben Tag abziehe. Meist hängt das vom Wetter ab, weil ich anstrebe, die Bettwäsche innerhalb eines Tages wieder in den Schrank zu bekommen. Im Winter gelingt mir das nicht immer. Bettwäsche waschen ist eine besondere Disziplin. Im Alltag komme ich gut mit einem Einheitsprogramm aus. Unter Pflegeleicht 40° wird alles schön sauber. Schwierige Flecken werden vorher eingeweicht und bei Bedarf kommt zusätzlich zum Waschmittel auch ein Hygienespüler zum Einsatz. Bei Bettwäsche muss meine Waschmaschine regelmäßig Extraschichten schieben. Nicht nur, dass sie öfter läuft, sie muss auch mehr heizen. An einem solchen Tag gibt es wirklich wenig, was ich nebenbei machen kann. Ich bin mit der Wäschelogistik gut ausgelastet und den halben Tag auf den Beinen. Nachmittags treffen dann die Kinder ein und ich muss kochen und zu Hausaufgaben motivieren.
Gestiegener Bedarf
Heute werfe ich um 6h morgens 7 Kilogramm Wäsche in die Waschmaschine und um 8h ist sie komplett fertig gewaschen. Meine Netto-Arbeitszeit dabei beträgt, inklusive Aufhängen, etwa 15 Minuten. Den Rest erledigt mein Lieblingshaushaltsgerät. Vor der Erfindung der Waschmaschine, also für meine Großmuttergeneration, oder Urgroßmuttergeneration war der Arbeitsaufwand deutlich höher. Wasser musste aufgewärmt werden, die Wäsche händisch mehrmals gewaschen und danach gespült werden. Am Schluss war sie bei Weitem nicht so trocken, wie nach einem Schleudergang mit 1000 Umdrehungen pro Minute. Alles muss unendlich lange gedauert und sehr anstrengend gewesen sein. Wer schon mal im Urlaub mit einer Tube Rei am Waschbecken Wäsche gewaschen hat, kann es wahrscheinlich erahnen, was es bedeutet, ein komplettes Bettlaken, oder ein großes Handtuch so zu reinigen. Allein durch den hohen Aufwand kann es damals einfach nicht möglich gewesen sein, seine Wäsche so häufig zu waschen, wie wir. Ich denke, dass hier die gestiegenen Möglichkeiten auch den Bedarf gehoben haben.
Ripple-Effekt
Der Ripple-Effekt beschreibt das Phänomen, dass sich Dinge aufschaukeln und auf angrenzende Systeme wirken. Angebot und Nachfrage beeinflussen einander. Wer eine üppige Gehaltserhöhung bekommt, passt ganz schnell auch die Ausgaben an und hat am Ende des Monats keinen Cent mehr am Konto, als vor der Erhöhung. Genauso scheint es mit der Waschmaschine zu sein. Wir sparen unglaublich viel Zeit beim Waschen. Dafür waschen wir einfach viel mehr, als früher und unterm Strich bleibt der Arbeitsaufwand gleich. Irgendwie schafft es die Menschheit immer wieder, solche Errungenschaften einfach zu neutralisieren. Früher hat eine Armee von Sachbearbeitern Zettel beschriftet, gelesen und abgeheftet. Heute liest und schreibt die Armee von Sachbearbeitern hocheffizient deutlich mehr Mails. Es geht alles viel schneller, dafür hat sich einfach der Bedarf vervielfacht. Irgendwer entwickelt einen neuen Computer und Schwups kommt ein Betriebssystem, das die Leistung braucht. Statt mit dem Schiff wochenlang zu reisen, fliegt man heute durch die Welt. Schon müssen Manager zu Meetings nach New York fliegen und Geschäfte in Australien besprechen. Das wäre früher nicht gegangen. Der gute Mann wäre wohl ein Jahr unterwegs gewesen. Heute macht er das in zwei, oder drei Tagen, wenn er im Flugzeug schlafen kann.
Überholspur
Es ist ein kleiner Teil des Universums, der sich da rund um und in meiner Waschmaschine abspielt. Trotzdem ist es auch bezeichnend dafür, wie wir Menschen ticken. Jeder kennt das aus dem Alltag. Hat man eine Kommode mit drei Schubladen, dann sind alle drei gefüllt. Tauscht man die Kommode gegen eine mit sechs Schubladen, dann sind deswegen keine drei Schubladen leer. Wir haben plötzlich, oder nach sehr kurzer Zeit, genug Zeug, mit dem wir die neue größere Kommode vollstopfen. Immer, wenn wir etwas bekommen, was besser, schneller, effizienter, oder sonst irgendwie besser ist, steigern wir einfach den Bedarf und sind am Ende wieder dort, wo wir angefangen haben. Ständig überholen wir uns selbst. Briefpost war langsam und teuer und jeder hat darüber nachgedacht, ob ein Brief verschickt werden muss, oder nicht. Heute löschen wir jeden Tag erst mal 50 Spam-Mails, wenn wir das erste Mal unsere E-Mails checken. Wo früher eine mündliche Absprache über das Festnetztelefon gereicht hat, brauchen wir heute mindestens drei Messenger-Apps am Smartphone. Aber das ist noch nicht das Schlimmste.
Gruppenzwang
Wenn ich schreibe, dass wir unsere Hosen ein paar Tage lang tragen, dann habe ich schon Bedenken, dass das ein negatives Bild von uns zeichnet. Vor zwei Generationen hat man die Unterhose etliche Tage lang getragen. Es war normal. Wenn man das heute macht, erfüllt man die Erwartungshaltung der Gesellschaft nicht. Wer heute weder über WhatsApp, noch über Signal erreichbar ist, wird schief angesehen. Menschen, die sich einschränken und sich von allem trennen, was sie nicht unbedingt brauchen, stoßen auf Unverständnis. Wenn man zusammenfasst, was die Menschheit so tut, dann kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Nicht nur, dass wir ständig Vorgänge optimieren, nur um dann einfach den Bedarf und die Häufigkeit des Vorgangs so dramatisch zu steigern, dass wir nachher mehr Stress haben als vorher, ist ein Problem. Auch dass wir uns dann gegenseitig unter Druck setzen, mitzumachen und alle mitreißen, halte ich für wirklich bedenklich. Die Kinder fangen damit schon an. Wer nicht mit den angesagten Sneakers vor der Schule steht, gehört nicht dazu. Egal, ob die Schuhe drücken, viel zu teuer sind und auch sonst wenig Vorteile bieten. Weil alle es machen, macht man es eben auch. Irgendwie bestimmt dieser Grundsatz unser ganzes Leben. Ich werde darüber nachdenken, wenn ich mich morgen wieder um die Wäsche kümmere.
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