Hat man die Schwangerschaft hinter sich gebracht und auch die stundenlange Geburt überstanden, dann sieht man sich plötzlich einem kleinen Menschen gegenüber. Viel kann der Zwerg noch nicht. Das Neugeborene liegt, fast unbeweglich, auf dem Rücken und verbringt seinen Tag mit Schlafen, Essen und Verdauen. Ein herrliches Leben, aber schon nach ein paar Wochen lernt das Kind Dinge, die vorher undenkbar waren. Bei allem, was die Kinder lernen sind die Eltern mehr, oder weniger dabei. Aber ist es wirklich so, dass man ein Kind mit Erziehung und der Vorbildwirkung beliebig formen kann. Kann man Kindern beispielsweise beibringen gerne zu teilen?
Eine Blogparade
Ich habe schon öfter an Blogparaden teilgenommen und auch schon selbst welche veranstaltet. Heute möchte ich an der Blogparade von Sarah teilnehmen, die sie auf ihrem Blog mamaskind.de veranstaltet. Die Blogparade hat das Thema Müssen Kinder teilen lernen: ja oder nein?
Eigentlich wäre die Antwort auf die Frage mit einem Wort erledigt. Damit es aber spannender wird, werde ich doch etwas weiter ausholen und das Thema ein wenig für Euch aufbereiten.
Drei sind drei zu viel
Ich liebe meine Kinder. Das aber dazu packe ich daher in den nächsten Satz, denn sie strapazieren meine Mutterliebe an manchen Tagen doch sehr. Zufällig ist einer der Hauptgründe, warum ich mich immer wieder mit den Kindern ärgern muss, das Thema teilen. Meine Kinder legen, wenn es um die Durchsetzung ihrer Rechte und Besitzansprüche geht, eine fast schon beängstigende Kaltblütigkeit an den Tag. Hat ein Kind ein Spielzeug, das in den Augen des Bruders, oder einer Schwester eigentlich jemand anderen gehört, dann wird das Spielzeug kurzerhand beschlagnahmt. Es wird meist nicht einmal angekündigt, oder gefragt, sondern die Kleinen nehmen sich, was vermeintlich ihnen gehört. Solche Aktionen enden dann meist in Streit. Besonders dramatisch kann sich die Lage zuspitzen, wenn alle drei etwas haben wollen.
Gerechtigkeit
Man könnte jetzt meinen, dass die Kinder sich einfach schlecht benehmen, aber in Wahrheit geht es Ihnen um eine absolut legitime Forderung. Sie wollen einfach nur Gerechtigkeit. Bekommt die Älteste einen Hund, der pinkelt zum Geburtstag, dann ist das nun mal ihr Hund. Es ist schlichtweg ungerecht, wenn eines der anderen beiden Kinder damit spielt. Allerdings baut diese nachvollziehbare Forderung nach Gleichbehandlung auf der Tatsache auf, dass keiner der Drei ein anderes Kind freiwillig mit dem eigenen Spielzeug spielen lässt. Weil also mein Sohn seinen Schwestern seine Superheldenfiguren nicht überlässt darf er auch nicht mit dem Puppenwagen fahren und umgekehrt. Ein teuflicher Teufelskreis.
Moralische Erziehung
Dabei kann man meinem Mann und mir sicherlich nicht vorwerfen, dass wir uns nicht bemühen würden. Sei doch nicht so. Lass ihn/sie doch mit dem Ding spielen. Du brauchst es jetzt ja auch nicht. Tausch doch und spiel dafür mit einem Spielzeug, das ihr/ihm gehört. Wie auf eine kranke Kuh reden wir auf das wütende Kind ein, aber irgendwie stehen wir beide dabei vor einem Dilemma. Die Argumente der Kleinen sind nämlich durchaus nachvollziehbar. Man teilt deswegen nicht, weil die anderen auch nicht teilen. Damit ergibt sich jetzt eine unangenehme Situation und eine moralische Zwickmühle. Soll man als Elternteil das Kind zwingen, sein eigenes Spielzeug aufzugeben, oder soll man dem anderen Kind beibringen, dass persönliches Eigentum zu respektieren ist.
Wert gegen Wert
Teilen ist eine tolle Sache. Allerdings wohl nur dann, wenn es freiwillig passiert. Wenn ich aus freien Stücken einem Bettler 10 Euro in die Hand drücke, dann habe ich ein gutes Gefühl. Kommt derselbe Bettler auf mich zu, langt in meine Tasche und zieht sich die 10 Euro aus meinem Portemonnaie, dann wäre mein Gefühl wohl nicht so gut. Genauso ist es sicher auch mit den Kindern. Jedes hat Anspruch auf bestimmte Dinge. So deutlich dieses Beispiel macht, wie unfair es ist, erzwungen teilen zu müssen, es gibt doch zusätzlichen einen Aspekt, den man auch noch berücksichtigen muss. Bei vielen Streiterein unter meinen Kindern geht es nämlich nicht um das Spielzeug, um das gestritten wird, sondern einfach nur ums Prinzip.
Plötzlicher Sinneswandel
Wenn ganz hinten im letzten Eck vom Kinderzimmer ein Spielzeug liegt und wochenlang vergeblich auf seinen Einsatz wartet, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Besitzer des Spielzeugs es in absehbarer Zeit benützen wird. Es liegt in der Ecke und wird ignoriert. Würde man es dem Kind in dieser Situation anbieten, dann würde es dankend ablehnen. Das ändert sich aber schlagartig, oder sogar explosionsartig, wenn ein Geschwisterkind das Spielzeug zur Hand nimmt. Obwohl es eben noch völlig uninteressant war, wird genau dieses eine Spielzeug in der Sekunde, in der es der Bruder, oder die Schwester berührt zum wichtigsten Gegenstand im Universum.
Familiensituation und Genetik
Auch wenn das, zumindest in meiner Wahrnehmung bei allen Kindern, auch bei Einzelkindern, die meine Drei heimsuchen, gleich funktioniert gibt es doch noch zwei Aspekte, die ich erwähnen möchte. Der erste ist die Entwicklung der Kinder. Da gibt es den Charakter meiner Ältesten. Sie ist darum bemüht Dinge zu deeskalieren, sucht Konsens und kann ihren Standpunkt verlassen, wenn es nicht anders geht. Das klappt nicht immer, aber es klappt häufig. Die Kleinste ist der Schrecken der Kita (und auch unserer!), hat zwar auch eine soziale Ader, so wie ihre ältere Schwester, wenn es um die Durchsetzung Ihrer Rechte geht bleibt aber kein Auge trocken. Ich unterstelle jetzt einmal, dass es einerseits eine Veranlagung gibt, zu teilen und anderen zu helfen, aber auch andere Aspekte mitspielen. So ist die Älteste am weitesten entwickelt und kann das Konzept Teilen wahrscheinlich besser verstehen, als die kleinen Geschwister. Als Älteste hat sie aber auch eine ganz andere Rolle in unserer Familie. Die beschützt und unterstützt ihre Geschwister in vielen Bereichen. Dass sie auch lieber teilt, als die anderen lässt für die nächsten Jahre hoffen.
Die Klügere gibt nach
Älter bedeutet auch, dass sie schlauer,geschickter und erfahrener ist, als die jüngeren Geschwister. Dass sie häufig nachgibt und ihr Eigentum bereitwillig teilt, ist zu einem Teil vielleicht darauf zurückzuführen. Dass sie aber auch Bleistifte und Pausenbrote in der Schule verschenkt und manche Spielzeuge anderen Kindern leiht, die weniger Spielzeug haben, als sie, ist sicher nicht nur eine Alterserscheinung. Ich bin mir sicher, dass sie verdammt gerne teilt. Versetzt man sich selbst in die Situation und stellt sich beispielsweise den eigenen Kleiderschrank, oder den Schuhschrank vor, dann wird es für manche gar kein Problem sein, einer Freundin, der Schwester, oder der erwachsenen Tochter, freie Hand zu lassen und ein beliebiges Teil auszuleihen. Andere werden damit auch bei der besten Freundin ein Problem haben. Auch wen man die Bluse, oder die Sneaker schon seit Monaten nicht mehr getragen hat, fühlt es sich vielleicht falsch und unangenehm an, wenn jemand anders sie trägt.
Kinder müssen Teilen lernen!
Wenden wir uns also der Entscheidungsfrage zu, um die es bei der Blogparade geht. Meine Antwort darauf ist ein ganz klare Jein. Die eigenen Moralvorstellungen zu vermitteln sollte Bestandteil der Erziehung sein. Das klappt in den meisten Fällen auch von selbst, weil die Kinder beobachten und nachahmen. Teilen ist sicher ein Teil dieser Moralvorstellungen. Andere am eigenen Reichtum, oder Überfluss teilhaben zu lassen, ist ein wichtiger Wert. Auf der anderen Seite möchte ich auch, dass meine Kinder im späteren Leben sparsam sind. Sie sollen ihr Geld zusammenhalten. Das könnte ein Widerspruch sein. Kinder müssen Teilen lernen, weil Teilen im Leben einfach wichtig ist. Man kann im Bus nicht darauf bestehen, dass man ganz alleine fahren möchte. Man muss den Bus und viele andere Dinge teilen. Kinder müssen Teilen aber nicht als Zwang etwas, das ihnen wichtig ist, aufgeben zu müssen, lernen. Teilen muss auf freiwilliger Basis passieren.
Nein, Kinder müssen Teilen nicht lernen!
Kindern teilen beizubringen ist meiner Meinung nach unmöglich und das ist gut so. Warum sollte ein Kind lernen nachzugeben. Warum sollte ein Kind erfahren, dass es seine Rechte aufgeben muss. Ich glaube, dass man den Kleinen damit einen Nachteil im späteren Leben verschafft. Geiz ist zwar nicht geil, aber in einer Gesellschaft in der die meisten Menschen auf ihren eigenen Vorteil achten, sollte man das eigene Kind auch mit entsprechenden Eigenschaften ausstatten um im Leben zu bestehen. Teilen aus freien Stücken ist gut und richtig. Wer viel hat kann damit Freude bereiten. Hat man aber selbst kaum genug, dann sollte es kein Zwang sein, davon auch noch etwas abzugeben.
Liebe Andrea,
danke für deinen Beitrag! Du bist also genauso zwiegespalten wie ich. 🙂
Ein Kind, das Deeskalation mag, finde ich ja super! Das ist so viel wert!
Ich denke auch, dass sich das mit den Jahren noch geben wird, unter den Geschwistern.
Die Kleinkindzeit ist echt Anstrengend, wenn nicht alle verstehen, was die anderen fühlen. Seufz.
Aber das wird. Bestimmt!
Liebe Grüße
Sarah