Faszination Handy

In Gesprächen und Diskussionen hört man immer wieder, wie gut die Kinder schon mit dem Handy umgehen können. Zielstrebig gehen die Kleinen direkt auf jede Art von moderner Technik zu und lernen blitzschnell, damit umzugehen. Das Problem dabei ist nur, dass ein 700€ Gerät nicht unbedingt ein Spielzeug ist.

Smartphone kostet

Ich bin ja eigentlich sehr altmodisch in der Tiefe meines Herzens. Würde die Industrie heute noch ein Handy herstellen, das mehr als eine Taste hat, ich würde es kaufen. Diese Touchscreens sind einfach schwieriger zu bedienen, als eine fest angeordnete Tastatur. Beim Touchscreen ist blind Tippen, wie die Kinder der 90er es unter der Schulbank beherrschten einfach verdammt schwierig. Die Tastatur verändert sich permanent. Ist man mit dem Handy nicht zu 100% vertraut, weil man es den ganzen Tag in der Hand hat und eine 5-stellige Anzahl an Nachrichten an alle 700 Freunde verschickt, dann heißt das, dass man nach Möglichkeit aufs Display schaut. Tippen, warten was sich verändert und dann unter den neuen Umständen weitertippen. Das geht zwar, aber man muss eben langsam tippen und den Blick nicht vom Handy abwenden. Wendet man dem Display kurz den Rücken zu, dann ist alles anders angeordnet.

Rotation – muss das sein

Ganz toll ist dann auch noch, wenn das Display bei der leichtesten Schräglage sofort um 90° dreht und von Hoch auf Querformat umschaltet. So etwas gab es früher einfach nicht. Alles war da, wo es schon immer war und ob man das Handy kopfüber, flach, schräg, oder steil hielt, hat daran nichts geändert. Der winzige LCD-Schirm war immer gleich ausgerichtet. Weil ein Handy früher einfach ein tolles Gerät war, das man über die Jahre, die man es verwendet hat, lieb gewonnen hat, habe ich eine ansehnliche Sammlung der alten Mobiltelefone. Dicke und Gewicht, etwas die eines Ziegelsteins und auch der technische Stand nicht weit vom Ziegelstein entfernt. Outdated, also.

Handyspiele neu erfunden

Dass man mit einem Handy spielen kann, dass weiß doch jeder. Schon auf den alten Teilen konnte man mit langen Schlangen kleine Punkte fressen und heute ist das sogar noch aufregender und die Grafik ein bisschen besser. Achja und Sound gibts auch. Das war früher eher einstimmig. Das man aber mit einem Handy auch spielen kann, das ist zwar bekannt, meist aber nicht zu tolerieren. Ich meine nicht, das Spielen am Handy, sondern tatsächlich das Spielen mit dem Gerät. Das Smartphone begleitet den modernen Menschen ja durchs gesamte Leben und den ganzen langen Alltag. Mogens weckt es und, tagsüber telefoniert man damit, checkt E-Mails und wird an Termine erinnert und Abends liest man kurz Nachrichten und stellt den Wecker für den nächsten Tag.

Weg ist das Handy

Die ständige Verfügbarkeit des Geräts bedingt, dass es immer in Griffweite ist. Es liegt auf der Kommode, am Nachtkästchen, in der Küche, oder auf der Couch. Immer online, immer erreichbar. Allerdings bewegt man sich als Mutter von drei Kindern nicht immer geplant durch die Wohnung. Ein Alarmstart, wie man ihn sonst nur von Kampfflugzeugen kennt, gehört zur Tagesordnung. Wenn man dann wie ein Tornado von der Bank springt und mit Mach 3 ins Kinderzimmer sprintet um die Ursache eines gellenden Schreis zu ergründen, dann bleibt einsam und allein das Handy auf der Couch zurück.

Allein unter Kindern

Schreit ein Kind im Kinderzimmer gellend auf, dann sitzen bis zu zwei andere friedlich mit Mama auf der Couch und sehen fern. Hebt Mama plötzlich ab und verschwindet mit wahnsinniger Geschwindigkeit in den Wolken, dann schauen die Kinder nicht etwas fasziniert dem Nachbrenner nach, sondern wenden sich direkt dem zurückgelassenen Handy zu. Das beste, was dem wertvollen Stück (und ich meine wertvoll im Sinne von – Das kostet viel viel Geld) passieren kann ist, dass es zum Spielzeugtelefon degradiert wird. Smartphone ans Ohr und etwas erzählt. Nicht weiter schlimm und auch unproblematisch wieder abzunehmen. Allerdings hat das Handy in den seltesten Fällen dieses Glück.

Flieg Handy flieg

Der Regelfall ist, dass das Handy zu Boden geht. Meist unsanft, meist auf die Kante und nicht selten auch mehrmals hintereinander. Auch Sabber, Krümel und verschiedene andere Flüssigkeiten können dem teuren Handy zum Verhängnis werden. Abgesehen von physischer Gewalt erfährt das Telefon auch ein ganze Reihe von kleinen Hackerattacken. Mit unbeschreiblicher Präzision und völlig souverän wird der Sperrbildschirm zur Seite gewischt und der Pin eingetippt. Naja, meistens eben nicht der Pin, sondern eine beliebige Zahlenfolge. Das Handy reagiert auf derartige Eingaben aber rasch etwas angepisst (was es hoffentlich nicht im wahrsten Wortsinn ist, nachdem die Kinder es im Zugriff hatten). Kurzerhand erfolgt sicherheitshalber eine Sperre. Das Handy schottet sich von der Welt ab und lässt mir erst mal etwas Zeit, bevor ich wieder eine Chance bekomme.

Placebo

Ich habe versucht mein teures Smartphone zu entlasten, indem ich schweren Herzens meine Sammlung historischer Handys als Spielzeug zur Verfügung gestellt habe. Dabei gibt es aber einen Haken: Die Kinder kennen sich aus. Nicht nur, dass sie problemlos jedes beliebige Smartphone selbstsicher entsperren können, sie haben offensichtlich eine angeborene Kenntnis über das Alter und die Funktionstüchtigkeit eines Handy. Handys die altmodisch sind, oder nicht funktionieren, mögen meine Kinder nicht. Der ausgeklügelte Plan mein Handy dadurch uninteressant zu machen, dass ich in der halben Wohnung ausgemusterte Geräte auslege geht auf jeden Fall nicht auf. Zielsicher erkennt die Kleinste, welches das funktionierende ist.

Elektronik-Wunderkind

Wie meine Kleinste, mit gerade einmal zwei Jahren, unser Tablet und unsere Smartphones bedient ist fast schon ein wenig gespenstisch. Woher sie das weiß, was sie weiß lässt sich schwer nachvollziehen. Auf jeden Fall ist sie in der Lage die Geräte völlig selbstständig und perfekt zu bedienen. Sieht Sie ein Youtube-Video, dann kann sie aus den Vorschlägen selbst eines auswählen. Ein gesperrtes Gerät, das keinen PIN abfragt, ist für Sie eine Kleinigkeit. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die heutigen Geräte mit ihren Touchscreen tatsächlich kinderleicht zu bedienen sind. Für mich ist das auf jeden Fall nichts und ich freue mich schon darauf, dass der Retrotrend auch bei den Handys Einzug hält und ich ein schönes schweres Handy mit Tasten bekommen.

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